Universitäten im digitalen Medium
Posted on | März 17, 2009 | 1 Comment
Mit Freude habe ich erfahren, dass mein Vortragsvorschlag für die Tagung „Web as Culture“ (16.-18. Juli 2009) an der Justus-Liebig-Universität Gießen angenommen wurde. Der Titel des Vortrags lautet: Die Universität der Buchkultur im digital-vernetzten Medium – Von der Linearität zu verteilten Strukturen
Für Interessierte möchte ich hier den Abstract zur Verfügung stellen:
Der Vortrag soll die Frage thematisieren, wie sich angesichts aktueller medientechnologischer Entwicklungen die Prozesse der Übermittlung und Kommunikation und damit der sozialen Konstruktion und Organisation von Wissen verändern. Übermittlung wird hierbei im Sinne Régis Debrays verwendet als die Weitergabe und Verbreitung von Wissensinhalten und kulturellen Bedeutungen über die Zeit. Kommunikation hingegen betrachtet Debray als Weitergabe von Informationen im Raum – wobei sich Kommunikation und Übermittlung nicht gegenseitig ausschließen. Die Strukturen der Übermittlung und Kommunikation sind nicht getrennt von den jeweils kulturell vorherrschenden Medien zu sehen. Doch mit technischen Medien als Trägern der zu übermittelnden Information allein erreicht man keine Übermittlung. Zur Überwindung der Zeit braucht man zusätzlich eine soziale Institution zur inneren Übermittlung. Bildungsinstitutionen erfüllen diese Funktion der Vermittlung zwischen den Medien der Übermittlung und der kulturellen und symbolischen Bedeutung.
Aus der Tradition der Buchkultur hat sich ein sehr linear organisierter Umgang mit Wissen entwickelt. Die lineare Struktur von Produktion und Übermittlung von Wissen in typographischer Form ermöglicht es dem Leser eines Buches, den Gedankengang des Autors nachzuvollziehen, er folgt der Perspektive des Verfassers. Michael Giesecke bezeichnet diese Art der Kommunikation als interaktionsfreie soziale Informationsverarbeitung. Wissen wird akkumuliert und weiter entwickelt, auf Basis vorhandenen Wissens wird neues erzeugt. Die Kommunikationsstrukturen in Bildungsinstitutionen der buchkulturellen Tradition folgen ähnlich linearen Strukturen ‚Äì zum einen wird der reflexive Umgang mit Texten gefördert, zum anderen wird das Wissen in Form von zentral organisierten Vorträgen nach dem one-to-many Prinzip weitergegeben. Die Rollenverteilungen bei der Produktion und Organisation von Wissen sind hierarchisch organisiert. Durch organisierte Prozesse der Filterung z.B. akademischer Publikationsmechanismen werden Informationen «vorsortiert‚Äù und ausgewählt, prämiert und kritisiert.
Im Web deutet sich aktuell das Entstehen neuer kultureller Prozesse des Umgangs mit Wissen an. Die Medien der Verbreitung von Information im Raum verdrängen die Medien der Verbreitung von Wissen in der Zeit. Durch ein sich veränderndes Verhältnis von Übermittlung und Kommunikation nimmt der direkte Informationsfluss deutlich zu. Die tradierten Filtermechanismen geraten ins Wanken, neue Strukturen der Organisation von Wissen entstehen, die geprägt sind von Partizipation. Statt linear organisierter Akkumulation von Wissen auf Basis interaktionsfreier sozialer Informationsverarbeitung entwickeln sich vernetzt agierende Kollektive, die Informationen produzieren, akkumulieren und permanent de- und rekontexualisieren und dabei versuchen, der zunehmenden Kommunikation durch neue Ordnungsmechanismen zu begegnen.
Der zu beobachtende Wandel der Formen von Kommunikation, Übermittlung, sozialer Konstruktion und Ordnung von Wissen wirft die Frage auf, wie sich traditionelle Rollenverständnisse hinsichtlich der Produktion und Weitergabe kulturellen Wissens verändern ‚Äì und wie sich dies auf die Strukturen von Universitäten als Orten der Wissensproduktion und Übermittlung auswirken wird.
Tags: buchkultur > debray > giesecke > hochschulentwicklung > Kommunikation > linearität > transmission > übermittlung > universität > Vernetzung > Wissen
Comments
One Response to “Universitäten im digitalen Medium”
März 19th, 2009 @ 23:33
Wow, das klingt sehr spannend. Schade, dass ich nicht in Giessen sein kann.