Michael Wesch: A Portal to Media Literacy
Posted on | Juli 21, 2008 | Kommentare deaktiviert für Michael Wesch: A Portal to Media Literacy
Via Mandy Schiefner bin ich auf einen Vortrag von Michael Wesch aufmerksam geworden, der u.a. bei YouTube zu sehen ist: „A Portal to Media Literacy“. Michael Wesch ist Kulturanthropologe und Medienökologe. Er untersucht die Veränderungen menschlicher Interaktion im Zusammenhang mit der Entwicklung aktueller Medientechnologien. Dies tut er nicht nur auf theoretischer Ebene, sondern nutzt intensiv verschiedenste Anwendungen des Social Webs in seinen Vorlesungen und Seminaren mit dem Ziel, die kritisch-reflexive Nutzung aktueller Medien durch Studierende zu fördern. In der Netzwelt bekannt wurde er durch einige Videos die er gemeinsam mit seiner digital ethnography working group (einer Arbeitsgruppe, die er mit Studierenden ins Leben gerufen hat) erstellt hat, z.B. „The Machine is Us/ing Us“, oder „A Vision of Students Today“
In dem aktuellen Vortrag berichtet er von den Hintergründen und der Entstehung des Videos „A Vision of Students Today“. Dabei zeigt er sehr anschaulich auf, wie sich aktuell die Rahmenbedingungen für Bildungsinstitutionen verändern und welche Möglichkeiten sich durch kollaborative Webanwendungen ergeben. Es lohnt sich, die 66 Minuten durch zuhalten (auch in einer Zeit der permanenten Ablenkung muss man sich für einige Gedanken etwas Zeit nehmen):
[youtube:http://www.youtube.com/v/J4yApagnr0s 425 350]
Einiges von dem, was Michael Wesch sagt ähnelt dem, was ich auch in meiner Masterthesis geschrieben habe. Durch die zunehmende allgegenwärtige Vernetzung in digitalen Strukturen werden andere Formen der Kommunikation in Lehr- und Lernsituationen befördert, die Hierarchien und damit die Rollenverteilung von Lehrenden und Lernenden verändern sich, Lernen findet zunehmend in projektförmigen, vernetzten Strukturen statt. Durch die permanente Verfügbarkeit von Informationen aller Art muss sich die Organisation von Lehr- und Lernsituationen weg bewegen vom Informationsinput hin zu partizipativen Strukturen in den Studierende verstärkt Informationen kritisieren, Zusammenhänge herstellen, den Informationen Bedeutungen zuweisen und Informationen in Frage stellen. Der Lehrende ist dabei nicht unbedingt derjenige, der das Wissen hat und dieses Wissen versucht weiter zu geben, sondern ebenso wie auch die Studierenden ein Teil im Netzwerk mit bestimmten Fähigkeiten und bestimmtem Wissen. Die Fähigkeit, Informationen zu bewerten und zu kritisieren war schon immer wichtig, in Zeiten der Überhand nehmenden Informationsflut wird sie jedoch zunehmend wichtiger. Die Entwicklung des WWW zum Read/Write-Web birgt viele Möglichkeiten, Informationen zu veröffentlichen, Zusammenhänge aufzuzeigen, Bedeutungen herzustellen – der „akademische Filter“ jedoch fehlt, eine Autorität, die die Informationen „vorsortiert“ und auswählt, prämiert und kritisiert fällt hier weg, dies wird im Netz jedem selbst überlassen.
Um eben diese Medienkompetenz (media literacy) zu fördern stellt Michael Wesch in seinen Seminaren und Vorlesungen die eigenständige Erarbeitung von Inhalten und Informationen in den Vordergrund und nicht die reine Informationsvermittlung. Für die kollaborative Projektarbeit hat Wesch bei netvibes.com ein Portal eingerichtet. Auf einer zentralen Seite werden verschiedenste multimediale Informationen per RSS zusammengeführt: Der RSS-Feed vom Wiki, in dem alle Studierenden gemeinsam an einem Projekt arbeiten, eine Seite mit Feeds von verschiedenen wissenschaftlichen Blogs zum Thema, ein Fenster in dem eigene Videoprojekte kollaborativ bearbeitet werden können, ein Twitter-Stream mit aktuellen Ereignissen aus der Projektarbeit, Kalender und Aufgaben, eine Linkliste zum tag Anthropology…
Man könnte diese Portalseite als Daten-Mashup bezeichnen, Informationen aus unterschiedlichen Quellen werden kombiniert und damit in einen neuen Zusammenhang gebracht, für die Studierenden bietet sich eine thematische Anlaufstelle – die Informationsflut wird über tags und RSS wieder vorsortiert und ausgewählt, nur das diese Auswahl der Inhalte nicht mehr durch einzelne Experten/Wissenschaftler geschieht, sondern über das kollektive taggen all derer, die Links abspeichern, Blogbeiträge schreiben oder verlinken, Videos produzieren oder weiter verbreiten.
Diese Idee, Informationen zu aggregieren und Möglichkeiten zu bieten, sich einen persönlichen Filter nach eigenen Kriterien einzurichten, hat auch das Konzept von life, dem neuen Webmagazin (und bald auch Netzwerk) der Fakultät EPB, beeinflusst, an dem ich gerade im Rahmen des Projektes ePUSH arbeite. Im Gegensatz zu Michael Weschs Portal ist life nicht dazu gedacht, einzelne Lehrveranstaltungen sondern die informelle Studienorganisation zu unterstützen. Ein ähnlicher Ansatz jedoch steckt dahinter: die Studierenden, die jetzt an Universitäten ankommen, nutzten vielfach das Social Web – meist jedoch zur Unterhaltung. Aufgabe von Universitäten ist es nun, gemeinsam mit Studierenden herauszufinden, welche Potentiale das Social Web in Bezug auf Lehren, Lernen, Kollaboration etc. bietet – und so die Studierenden im reflektierten Umgang mit dem neuen Medium zu bilden.
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