Christina Schwalbe

Nachgedacht statt nachgemacht!

Sinn und Unsinn von Twitter

Posted on | Oktober 30, 2008 | 2 Comments

Twitter

Vor Kurzem habe ich mich mit Ralf Appelt, einem begeisterten Twitterer, über den Sinn und Unsinn von Twitter diskutiert. Das möchte ich hier einmal kurz zusammenfassen.

Ich persönlich bin noch nicht ganz überzeugt vom Konzept des Microbloggings, d.h. davon, permanent kurze Gedanken, Statusnachrichten, Informationen über Twitter zu kommunizieren und diese Nachrichten von anderen zu abonnieren. Meine Kritik würde ich untermauern mit der Unterscheidung zwischen Übermittlung und Kommunikation des Mediologen Régis Debray. Debray betrachtet die Übermittlung als die Weitergabe und Verbreitung von Informationen über die Zeit. D.h. Ideen, Wissens- und Glaubensinhalte und kulturelle Bedeutungen werden über Generationen hinweg weitergegeben. Dazu werden die technischen Medien der Übermittlung genutzt, also z.B. Bücher. Das Fortbestehen und die Weiterentwicklung von Kultur ist gekoppelt an die Übermittlung. Kommunikation hingegen ist die Weitergabe von Informationen im Raum, also dem direkten Austausch von Informationen – wobei sich Kommunkation und Übermittlung nicht unbedingt ausschließen. Nach Debray ist „Kommunikation [‚Ķ] die notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für Übermittlung.“ (Einführung in die Mediologie, 2003: 23)

Twitter ist ein Beispiel für Kommunikation im Sinne Debrays: Die Informationen werden aktuell über das Netz verbreitet und erreichen unter Umständen (je nach der Zahl und Verbreitung der Follower) eine große räumliche Reichweite – jedoch kaum eine zeitliche Reichweite. Sehr schnell gehen die Informationen unter in der großen Anzahl der Nachrichten, die insgesamt über Twitter permanent gesendet werden. Twitter ist also quasi ein permanentes Gemurmel im Netz.

Die Gefahr die ich dabei sehe, ist dass das Verhältnis von Übertragung und Kommunikation aus dem Gleichgewicht gerät. Die Kommunikation, also der permanente Austausch von Informationen im Hier und Jetzt, schiebt sich vor die Übermittlung, längerfristige Prozesse der Speicherung und Weitergabe von Wissensinhalten geraten ins Hintertreffen – bei mir persönlich würde einfach die Zeit für eine reflektierte Auseinandersetzung mit Themen nicht mehr ausreichen, wenn ich permanent meine spontanten Gedanken veröffentliche.

Ralfs Argument war, dass Twitter als eine Art direktes digitales Notiz“buch“ genutzt werden kann, wie es z.B. Thomas Bernhardt tut, der während eines Vortrags seine Kommentare getwittert hat und diese im Nachhinein in einem Blogbeitrag anderen zur Verfügung stellt. Ich muss Ralf zustimmen, dass dies durchaus eine sinnvolle Nutzung von Twitter ist: durch die weitere Verarbeitung der Twitternachrichten in einem Blogbeitrag ist auch die längerfristige und in einen Kontext eingebundene Weitergabe der Informationen gegeben. Leider jedoch ein sehr rar gesätes Nutzungsverhalten. Es ist also hier wieder die Kompetenz im Umgang mit dem Medium nötig, um eben das Verhältnis von Übermittlung und Kommunikation nicht kippen zu lassen – womit wir wieder bei dem Thema Bildung wären: Bildungsinstitutionen müssen sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen, die Charakteristika des Mediums (an-)erkennen und einen reflexiven und sinnvollen Umgang fördern. Sowie man Lernen muss, einen Text zu lesen, zu verstehen, zusammen zu fassen und weiter zu verarbeiten, muss man auch Lernen, kommunikationsfreudige Medien wie z.B. Twitter sinnvoll zu nutzen.

Allerdings habe ich auch bei dieser Nutzung einen Kritikpunkt an Twitter: die Zeichenbegrenzung auf 140 Zeichen zwingt war dazu, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, manchmal kann man jedoch komplexe Gedanken nicht ganz so sehr einschnüren, ohne dass der Kern verloren geht. Ich selber hatte große Probleme damit, als ich auf der GMW-Tagung twittern wollte, um den zu Hause gebliebenen Ralf schnell über die Diskussionen vor Ort zu informieren, so dass ich dann einen Link zu meinem Blogbeitrag twitterte.

Meine Erwartung, eventuell über Twitter direkt mit anderen während der Vorträge schon Gedanken austauschen zu können, in dem ich den Twitter-Stream zur GMW-Tagung verfolgte, wurde leider enttäuscht, da doch vor allem Beschwerden über die Technik und kurze Statusnachrichten über den jeweiligen Aufenthaltsort gepostet wurden.

FAZIT: Ich könnte mich überzeugen lassen, Microblogging-Tools wie Twitter tatsächlich auch zu nutzen, wenn ich es schaffe, mein persönliches Zeit- und Gedankenmanagement auf die Twitter eigene Geschwindigkeit und Aktualität einzustellen, ohne dass dabei auch das intensive Nachdenken nicht zu kurz kommt (selbst bei Blogbeiträgen komme ich nicht immer hinterher, meine Gedanken in der Geschwindigkeit in Worte zu fassen und auch fundiert zu begründen 😉 ). Und auf jeden Fall muss Microblogging in Bildungsprozessen Berücksichtigung finden, damit wir nicht langfristig in einer riesengroßen Flut an permanenter Kommunikation ertrinken, sonder über eigene Mechanismen zur Reduktion der Komplexität auch die Übermittlung erhalten bleibt.

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Comments

2 Responses to “Sinn und Unsinn von Twitter”

  1. Markus
    Oktober 31st, 2008 @ 01:50

    schau mal hier, eine umfrage: http://www.trnd.com/trndometer/details.trnd?id=52

    bis dienstag, markus

  2. Ralf
    November 12th, 2008 @ 19:12

    Interessante Umfrageergebnisse. Danke für den Link!

Christina Schwalbe

*1978 :: Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg, Fachbereich Erziehungswissenschaft - Forschungsschwerpunkte: Medien & Bildung, Mediengeschichte & Kulturgeschichte, Kommunikation

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