Christina Schwalbe

Nachgedacht statt nachgemacht!

GMW-Tagung: live-Bericht

Posted on | September 17, 2008 | Kommentare deaktiviert für GMW-Tagung: live-Bericht


Nach langer Pause hier im Blog (Urlaub und Vor-Urlaubs-Termindruck) berichte ich nun live von der GMW-Tagung in Krems. Gemäß dem aktuellen Trend natürlich ein Blogbeitrag ‚under construction‘.

Begonnen hat die Tagung mit den ogligatorischen Grußworten und der Keynote von Robin Mason: „The impact of Social Networking on Higher Education“ – spannender Titel, schade, dass jedoch kaum Neues dabei war. Da mich das Thema Social Networking in Bildungsprozessen gerade in Bezug auf meine Arbeit an life im Projekt ePUSH sehr interessiert, hatte ich gehofft, neue Aspekte zu hören. Doch es ging nicht speziell um Social Networking sondern in erster Linie allgemein um Social Software, das Mitmach-Web und insbesondere um User Generated Content. Die Betrachtungen hielten sich eher auf sehr stark anwendungsbezogenen Ebene, tiefer gehende Überlegungen, wie sich die aktuellen sozio-technologischen Veränderungen auf Bildungsinstitutionen insgesamt auswirken blieben leider aus. Angenehm fand ich jedoch die Fokussierung auf veränderte Mediennutzungsgewohnheiten Studierender und welche Herausforderungen sich konkret für Lehrende dabei ergeben. Ein wichtiger Aspekt, den Robin Mason dabei herausstellte, war die sich verändernde Rolle der Lehrenden: Es geht nicht mehr so sehr darum, Wissen weiter zu geben, sondern Fähigkeiten zur Reflexion und zum Umgang mit vielfältigen Informationen und einem komplexen Medium aufzubauen. Aufgrund der überall vorhanden Informationen zu verschiedensten Themen ist es kaum noch möglich, als Lernziel eines Seminars einen vorher definierten Wissenserwerb zu formulieren, sondern Studierende sollen eher dazu ermutigt werden sich selber durch vorhandene Informationen „zu wühlen“ und diese in eigene Kontexte zu bringen.

Nun geht es weiter zu Klaus Wannemacher: Wikipedia – Störfaktor oder Impulsgeber für die Lehre?

Ein ganz kurzes Update (der Akku war leer, alle Steckdosen besetzt und die Pausen wurden für Gespräche genutzt, gleich geht es weiter zum Abendprogramm…): Vorträge sehr durchwachsen, Infos dazu folgen später. Aber die Postersession war sehr erfolgreich, interessante Diskussionen zu life. Auch dazu später mehr.

Der Vortrag von Klaus Wannemacher, übrigens nominiert für den LPlus-Best Paper Award (aber nicht der Gewinner), war insgesamt eine sehr solide Darlegung der Vorbehalte gegenüber Wikipedia, die er dann diskutiert hat. Insbesondere das Thema Plagiarismus wurde diskutiert – das Problem der Hausarbeiten, die per Copy&Paste aus Wikipedia-Artikeln zusammengeschraubt werden. Gut fand ich, dass Plagiatsfindungsprogramme eher nicht als Lösung genannt wurden, sondern Wannemacher stellte die Frage in den Raum, ob – wenn es möglich ist, teils auch gute Hausarbeiten einfach mit Hilfe von frei verfügbarem Wissen aus Wikipedia zusammenzustellen – man sich nicht überlegen müsste, ob dann die Prüfungsformen sich verändern müssten. Interessante Anregungen, wie Wikipedia nicht als Störfaktor sondern als Impulsgeber für die Lehre genutzt werden kann findet man evtl. in der Linkliste zu ca. 80 Projekten und Seminarkonzepten, die den Mythos Wikipedia in Praxis und Theorie behandeln, leider hat die Zeit nicht ausgereicht, das wirklich zu vertiefen. Sobald diese Liste zur Verfügung steht werde ich sie hier verlinken, ebenso wie auch die Präsentation.

Isa Jahnkes Vortrag Integration informeller Lernwege in formale Universitätsstrukturen: Vorgehensmodell ‚ÄûSozio-technische Communities« klang für mich sehr spannend und ich hatte mir Anregungen für life erwartet – leider ging es nur um ein Forum, was seit einigen Jahren an der TU Dortmund für Studierende eingerichtet wurde um Fragen zur Studienorganisation zu klären. Die „informellen Lernwege“ waren für mich so nicht ersichtlich. Schade!

Allerdings konnte ich in der später folgenden Postersession an einige der Diskussionen anschließen, die wir im Anschluss an diesen Vortrag begonnen hatten. ePUSH und speziell life stießen insgesamt auf reges Interesse aus unterschiedlichen Richtungen. Es scheint, als stünden wir mit unserer Einschätzung nicht alleine da, dass Hochschulen als (nicht verpflichtendes!) Angebot für Studierende Kommunikations- und Informationsstrukturen anbieten sollten, die von den Studierenden genutzte Funktionen wie z.B. facebook und studiVZ bieten und zusätzlich Features zur Studienorganisation integrieren. Gerade das Argument, dass eben diese informellen Kommunikationswege als universitäres Angebot mit dazu beitragen können, einen reflektierten und sinnvollen Umgang mit digitalen Medien zu befördern wurde häufig genannt. Nicht nur ich bin also gespannt, ob wir damit auf das richtige Pferd gesetzt haben und life von den Studierenden auch angenommen wird.

Vom zweiten Tag möchte ich nur kurz auf den Vortrag von Martin Ebner eingehen. Anschließend an Rolf Schulmeisters Kritik an der Unwissenschaflichkeit, mit der der Begriff „Net Generation“ verwendet wird haben Martin Ebner und Mandy Schiefner eine Studie durchgeführt um zu untersuchen, ob diese Net Generation tatsächlich so medienaffin ist. Dabei wurde vor allem die Nutzung von digitalen Medien überprüft: Welche Geräte besitzen Studierende? Nutzen sie das Internet? Kennen sie den Begriff Web 2.0? Was verstehen Sie darunter? Welche Applikationen nutzen sie in diesem Kontext? Als Ergebnis hielt Ebner fest, dass die Net Generation technisch besser ausgerüstet ist, Internetanschluss quasi flächendeckend vorhanden ist, digitale Kommunikationskanäle sich etabliert haben – Web 2.0 allerdings in erster Linie nur mit Wikipedia und YouTube gleichgesetzt wird. Er kommt am Ende zu dem Schluss, dass es die viel zitierte Net Generation nicht gibt, da nur sehr wenige tatsächlich aktiv im www Inhalte erstellen. Die Frage, die sich mir jedoch stellt: die Kommunikationsstrukturen verändern sich, das Internet als viel genutztes, allgegenwärtiges Kommunikationsmedium folgt einer anderen Logik als frühere Kommunikationsmedien, inbesondere Wikipedia wird als Informationsquelle sehr viel genutzt, der Status und die Verfügbarkeit von Wissen und Information ist spürbar im Wandel – das lässt sich auch aus den Zahlen der Studie herauslesen; lassen sich kulturelle Veränderungen und veränderte Kommunikationsgewohnheiten tatsächlich durch eine Studie bestätigen oder negieren, die ausschließlich auf die Quantisierung der Mediennutzung abzielt?

Als Gesamtfazit zur GMW 08 kann ich sagen, dass die meisten Vorträge, die ich gehört habe sehr auf die Praxis abzielen, Konzepte, die dahinter stehen hatten leider kaum Platz, teilweise auch wegen der Kürze der Zeit – das ist schade, da ich es sehr wichtig finde, praktische Umsetzung und theoretische Fundierung immer miteinander zu verknüpfen. Allerdings haben sich insbesondere in den Pausen sehr viele spannende Diskussionen ergeben (wie das ja meistens so ist auf Tagungen), ich konnte einige interessante und interessierte Leute kennen lernen, mich von anderen Projekten inspirieren lassen und fahre nun mit dem Gefühl nach Hause, zwei schöne, interessante Tage in Krems verbracht zu haben.

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Christina Schwalbe

*1978 :: Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg, Fachbereich Erziehungswissenschaft - Forschungsschwerpunkte: Medien & Bildung, Mediengeschichte & Kulturgeschichte, Kommunikation

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